Ina Maria Berthold: Begeisterung im Gepäck

 

 

Ein Interview mit Ina Maria Berthold

Frau Berthold ist Inhaberin des traditionsreichen Geschäftes „Berthold Lederwaren und Reisegepäck“ mitten im Herzen von Neckarsulm. 

 

Seit nun schon 7 Generationen ist das Unternehmen im Besitz Ihrer Familie, Frau  Berthold. War dadurch Ihr beruflicher Werdegang von Kindheit an vorgezeichnet?

 

Teils teils. Zum einen war es so, dass meine Eltern mich regelrecht aus dem Laden heraus-ziehen mussten. Sie waren der Meinung, Kinder haben dort nichts zu suchen  - ich aber hätte am liebsten den ganzen Tag über dort verbracht. Andererseits keimten bei mir mit der Pubertät Berufs-Wünsche auf, die über das Übliche und Gewohnte hinaus gingen; wie viele Jugendliche ja etwas "ganz Anderes und Großes" werden wollen. Als Journalistin, Diplomatin oder Stewardess zu arbeiten, auch das hätte ich mir sehr gut vorstellen können.  

Während der letzten zwei Jahren am Gymnasium kristallisierte sich mein Weg deutlich heraus. Ich besuchte mit den Eltern sämtliche Messen und beteiligte mich intensiv an allem rund um´s Geschäft. So konnte sich auch mein Vater allmählich vorstellen, dass eine Frau dieses Unternehmen führen könnte. Zumal kein männlicher Erbe in Sicht war. Für mich war klar – das will ich tun! Also absolvierte ich nach dem Abitur eine dreijährige Lehre bei einem befreundeten Kollegen in Nürnberg und stieg danach direkt in den Familienbetrieb ein. Seitdem bin ich mit sehr viel Freude dabei.   

 

Was ist es, das Ihnen in diesem Beruf Freude bereitet?

 

Ganz klar ist das Schönste für mich, dass ich viel mit den unterschiedlichsten Menschen zu tun habe. Das liebe ich. Auch, dass wir vom Einkauf über die Buchführung bis hin zum Verkauf alles selbst machen, gefällt mir gut. Durch das direkte Gespräch mit unseren Kunden wissen wir, was sie sich wünschen und was weniger gut ankommt. Dieses Wissen und ihr Feedback nehmen wir direkt mit in in den nächsten Einkauf. Hier sehe ich einen Vorteil gegenüber größeren Betrieben, bei denen Einkauf und Verkauf in unterschiedlichen Händen liegen. Dann gibt es noch das Dekorieren, das wir auch selbst übernehmen. Hier können wie unsere Kreativität austoben. Ich finde gerade auch diese Vielseitigkeit spannend. Im Grunde ist es so, dass man am Morgen ins Geschäft geht und sich fragt: Was kommt den heute alles?   

 

Worauf legen Sie als Inhaberin besonderen Wert?

 

Oberste Priorität hat für uns bei der Auswahl der Produkte die Nachhaltigkeit. Wir verkaufen lange nicht alles was verkaufbar wäre, schauen auf welche Art produziert wurde, wo die Ware herkommt, aus welchem Material sie gefertigt und wie dieses bearbeitet wurde. Ein gutes Beispiel ist das Leder. Davon sollen, dürfen keine unguten oder gar ungesunden Ausdünstungen ausgehen oder über die Haptik Allergien und Hautauschläge ausgelöst werden. Meine Waren will ich mit einem guten Gewissen verkaufen, aber auch für meine Mitarbeiter und mich soll die Umgebung in der wir uns täglich aufhalten eine gesunde sein. 

Dazu müssen die Dinge, die wir verkaufen, mir auch optisch gefallen. Ich finde, man muss hinter seinem Angebot voll und ganz stehen, muss dafür „brennen“. Nur was mich selbst überzeugt kann ich überzeugend präsentieren.

Als sehr gut empfinde ich, dass unser Sohn im Geschäft mit dabei ist. Wir ergänzen uns glänzend. Er bringt den jungen Aspekt mit herein, korrigiert mich und redet mir nicht nach dem Mund. Unsere Zusammenarbeit ist ein spannendes Feld im positivsten Sinn. 

 

 
 

Sie haben zwei - inzwischen erwachsene - Söhne. Wie gelang es Ihnen damals, Beruf und Kinder unter einen Hut zu bringen?

 

Als die Beiden noch klein waren, verbrachte ich natürlich nicht den ganzen Tag im Laden. Morgens um zehn begann mein Arbeits-Einsatz und über Mittag war damals das Geschäft geschlossen. Zu meinem Glück schliefen sie als Babys sehr viel. Etwas später konnten sie sich auch ganz gut für eine Weile alleine mit Bilderbüchern und Spielzeug im Laufstall vergnügen. Immer nahm ich das Baby-Phone mit in den Laden und wenn etwas war, sprang ich sofort nach oben.

Sobald sie in Kindergarten und Schule gingen richtete ich meine Arbeitszeiten hieran aus und es wurde ein bisschen einfacher. In aussergewöhnlich arbeitsreichen Wochen, zum Beispiel um die Weihnachtszeit, sprang mir meine Mutter hilfreich zur Seite. Sie streifte damals mit den Jungs viel durch die Wälder und Auen.

Der Alltag mit den Kindern musste bis ins Kleinste durchgeplant werden und oft war es anstrengend. Aber ich empfand und empfinde vieles nicht als Streß, auch wenn es für mich keinen pünktlichen Feierabend gibt und sich Geschäft mit privatem mischt. Sicher liegt das unter anderem daran, dass ich meinen Beruf mit Begeisterung und Freude ausübe.

 

Mit Begeisterung engagieren Sie sich auch politisch - seit vielen Jahren in der CDU Neckarsulm, seit 2015 als deren Vorsitzende. Wie kamen Sie zur Politik?

 

Ich wuchs in einer Familie auf, die schon immer großes Interesse an politischen Themen zeigte. Bei uns wurde viel darüber gesprochen und ziemlich bald habe ich mit geredet. Auch in der Schule war Politik Gesprächsthema. Einige unserer Lehrer hatten eine deutliche politische Ausrichtung und zögerten nicht, uns diese auch mitzuteilen. Bei vielem, das sie sagten, dachten wir Schüler uns - das kann es ja nun nicht sein. Auch ich empfand und dachte nicht so wie meine Lehrer. Auf der Suche nach etwas, das mich mehr ansprach, kam ich zur Jungen Union. Ich war 16, kannte dort noch niemanden und war das einzige Mädchen. Es hat mir aber gleich Spaß gemacht. Dort wurde natürlich nicht nur politisch diskutiert. Auf dem Programm standen auch gemeinsame Ausflüge und fröhliche Disco-Abende. Alles in allem war es für mich eine sehr schöne Zeit, bei der ich viel erlebte und lernte. Ich nahm an Seminaren teil, was mir für die Schule und meine persönliche Entwicklung einiges brachte. Bei politischen Reisen nach Belgien, Paris oder Berlin, wurden Vorträge besucht, Zusammenhänge erklärt, Diskussionen geführt, man lernte die Fakten kennen und erweiterte seinen Horizont. Damit erstand ich das Rüstzeug um die Dinge zu hinterfragen. Das war damals wichtig und ich meine, heute ist es das kein bisschen weniger. Was in der Zeitung steht, ist vorgefiltert und die Medien heute sind oft nicht neutral. Ihr Auftrag wäre objektiv zu berichten: Was ist die Sachlage, was ist passiert. Häufig erlebt man aber, dass Meinungen veröffentlicht werden, oder lediglich ein Teil der Fakten, während andere weggelassen werden. Wer zum Beispiel liest, Frau Kraft habe 500 Millionen Euro in die Bildung investiert, der denkt sich, das ist ja super und sieht das Geld gut und zukunftsträchtig angelegt. Dass aber von diesen 500 Millioen 300 Millionen in die Versorgung von beamteten Alt-Lehrern gingen, die schon lange im Ruhestand weilen, das erfährt man nicht. Ich schätze es sehr, dass ich durch meine politische Arbeit reichlich Informationen und Zusammenhänge bekomme und mir so eine fundierte, eigene Meinung bilden kann.

 

Gibt es innerhalb Ihrer politischen Arbeit ein spezielles Interessensgebiet oder ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt?

 

Das ist die Wirtschaftspolitik. Vermutlich liegt das an meinem persönlichen Bezug zu diesem Thema, da ich beruflich ständig damit konfrontiert werde. Zudem galt und gilt mein Interesse auch sehr der europäischen Einigung. Dinge wie eine europäische Finanzkrise zum Beispiel wirken ja auch in unser Land hinein. Ob Schulden allgemein verstaatlicht und europäisiert werden, oder ob jedes Land seine Hoheit über Finanzen und Verpflichtungen behält  – das sind zwei gänzlich unterschiedliche Modelle mit jeweils großen Auswirkungen. Das finde ich hochinteressant.

Es hängt doch letzlich vieles zusammen. Beschlüsse im sozial-politischen Bereich zum Beispiel, haben meist auch Auswirkungen auf die Wirtschaft. Man kann nicht an einer Stellschraube drehen und dann die anderen sein lassen. Da muss bedacht werden, was eine Entscheidung in einem Bereich bewirken wird; das darf nicht isoliert betrachtet werden. Mein Interesse gilt im Groben schon dem Bereich der Wirtschaft, aber dazu auch den Derivaten, die damit zusammen hängen.

 

„Frauen in der Gesellschaft“ – auch das ist ein Thema in der Politik. Und auch sehr konkret im Leben jeder jungen Frau stellt sich früher oder später die Frage, wie sie ihren Weg gestalten will, wie ein eigener Lebens-Weg aussehen kann, in dem auch die Erfüllung ihrer persönlich-weiblichen Bedürfnisse möglich ist.

Haben sie einen Tipp oder Rat, den Sie jungen Frauen mit an die Hand geben könnten?

 

Zur Zeit scheint ein Frauenbild vor zu herrschen, das mir überhaupt nicht gefällt. Frau soll supertoll aussehen, den perfekten Job ausüben, der dazu noch Renommee hat und natürlich auch passend dazu sollen die Kinder perfekt sein. Superniedlich als Babys und älter geworden müssen sie mindestens ein halbes Jahr Chile oder Neuseeland vorzuweisen haben. Gängige Frauen-Zeitschriften unterstützen dieses Bild.

Auch wenn sich diese Blätter einen pseudomodernen und emanzipatorischen Anstrich geben entdecke ich keinerlei Emanzipation darin, Frauen ständig und in allem zur Vollkommenheit aufzurufen – um ihnen damit gleichzeitig zu vermitteln, alles andere sei zu wenig und nicht „gut genug“. Dieser Perfektionsanspruch ist nicht zu erfüllen. Da als Frau ein echtes Selbstbewusstsein von innen heraus zu entwickeln ist nicht einfach.

Ein guter Rat scheint mir zu sein, sich von dem inneren Selbst-Druck zu verabschieden, alles immer richtig machen zu müssen und sich diesen äußeren Druck nicht zu eigen zu machen. Eine Frau ist doch nicht weniger wert, nur weil sie Perfektions-Kriterien nicht erfüllt.  

Auf der anderen Seite trauen sich viele Frauen selbst viel zu wenig zu. Hier empfinde ich es als ebenso wichtig, dass Frauen ein Selbstbewusstsein darüber bekommen, was "frau" eigentlich alles kann. Nicht von vornherein die Dinge als gegeben hin nehmen, nicht sagen oder denken "das ist halt so, das kann man nicht“; Hinterfragen, ausprobieren und einfach „tun“. Und das bitte nicht um der Perfektion willen, sondern für sich selbst! Um das zu finden und zu tun, das man wirklich zutiefst von innen heraus möchte.  

Als Überschrift über allem würde ich ein starkes Selbstbewusstsein sehen, dass frau entwickeln sollte. Das darf man nicht verwechseln mit Arroganz oder Eingebildet-Sein, denn damit hat das überhaupt nichts zu tun.

 

 

Haben Sie Ziele oder Pläne für die Zukunft, die noch verwirklicht werden möchten? 

 

Beruflich habe ich keine besonderen Expansions-Pläne. Das Geschäft möchte ich erhalten und es gemeinsam mit meinem Sohn auf positive Weise weiter entwickeln.

Privat gibt es den ein oder anderen Wunsch. Mein Mann und ich wandern viel und ich fände ich schön, etwas mehr Zeit für ausgedehnte Wander-Reisen zur Verfügung zu haben. Unheimlich gerne möchte ich mir Südamerika, Patagonien anschauen.

 

Danke, Frau Berthold, für das Gespräch.

 

Petra Müller - Fotografieren mit Gefühl 0